Oliver Schmidt

2. Brief zur Nachhaltigkeit: Wo anfangen?

Was bedeutet Nachhaltigkeit in unserer Organisation?

Unternehmen, die das Thema Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe ernst nehmen, genießen einen Vertrauensvorsprung beim Kunden gegenüber Mitbewerbern. In der Praxis achten bereits viele Organisationen auf die Einhaltung selbst gesetzter Nachhaltigkeitsziele. Nur nutzt längst nicht jedes Unternehmen die Chancen, die mit systematisch nachhaltigen Wirtschaften und der entsprechenden Marketingstrategie einhergehen.
Nicht nur der sogenannte „LOHAS“ Kunde, der einen Lifestyle of Health and Sustainability pflegt und entsprechend wahrgenommen werden möchte, legt hier seine Produktstandards „öko“, „fair“, „regional“ etc. an. Die Ansprüche an gesunde Produkte oder Dienstleistungen, deren Herstellung, Nutzung und Entsorgung nicht zu Lasten anderer Menschen oder der Umwelt geht, entwickeln sich mehr und mehr zum gesellschaftlichen Konsens.
Richten wir unser Unternehmen also nachhaltig aus! Aber wo fangen wir damit an? Gibt es Minimalstandards, die erfüllt sein müssen, um nachhaltig zu sein?

Keine Organisation ist mit der anderen vergleichbar. Ebenso, wie jedes Unternehmen eigene wirtschaftliche Erwartungen formuliert (Wie viel Eigenkapital wollen wir haben? Welche Umsatz- und Gewinnerwartungen haben wir? Streben wir Wachstum an?) definieren wir auch unsere Ansprüche an ökologische und soziale Kriterien selbst. Unsere eigene Definition sowie die Ziele, die wir formulieren, sind fortan der Maßstab, an dem wir uns und unser Unternehmen messen lassen müssen – durch uns selbst, unsere Mitarbeiter, die Kunden und andere Interessierte.

Relevanz und Transparenz

Auf der Suche nach Kriterien helfen uns zwei Leitbegriffe: Relevanz und Transparenz. Die Kriterien, nach denen wir unser Unternehmen nachhaltig entwickeln, müssen relevant sein, also den Kern unseres Geschäftsmodells und dessen Auswirkungen tatsächlich betreffen. Ein Beispiel: im Fokus einer Bäckerei kann die Herkunft der Zutaten stehen, die Produktionsbedingungen im Betrieb und bei Lieferanten oder der Verbrauch und die Entsorgung wichtiger Ressourcen wie Wasser und Strom.

Meisterbrief des Bäckerhandwerks, Otto Schmidt, Harburg, 1930

Stellt sich der Betrieb der Frage, wie viele Brote und Brötchen am Abend weggeworfen werden, hat er sogar die Chance ergriffen, ein Thema zu bearbeiten, das aktuell gesellschaftlich diskutiert, also als relevant empfunden wird.

Hier beginnt ein interessantes Spannungsfeld, schließlich ist der Anspruch, die Regale auch um 18 Uhr noch gut gefüllt und jeden Artikel vorrätig zu haben, bisher ein gutes Verkaufsargument gewesen. Wie weit der Bäcker nun tatsächlich geht, hängt auch von der Stabilität der Kundenbeziehung ab, und von der Fähigkeit, miteinander zu reden. Möglicherweise bieten sich auch ergänzende Lösungsansätze, zum Beispiel Spenden an eine soziale Organisation wie die Tafeln.
In diesem Prozess liegt die Chance, unternehmerische Entscheidungen gemeinsam mit Mitarbeitern, Kunden und anderen Interessensgruppen zu treffen und auf diese Weise Motivation, Stolz und ein Gefühl – nein, eher die Gewissheit – von „ich bin dabei“ oder „meine Meinung ist hier gefragt“ zu erzeugen.

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